Schlucken bis der Arzt kommt
MINUSMACHEN ist der heilsame Newsletter über die Abgründe der Tech-Industrie und zertrümmerte Männerseelen.
Heute: Die wachsenden Suchtprobleme der Tech-Führungskräfte.
1. Ausgabe: “Schlucken bis der Arzt kommt” - Das assoziiert man erstmal mit dem Titel einer Spotify-Sommerparty-Playlist von Daniel Günther (CDU) oder eines extrem unterfinanzierten Pornos, ist aber tatsächlich traurige Realität vieler hochrangiger Führungskräfte in der Tech-Industrie.
Nehmen wir ein x-beliebiges Tech-Unternehmen und stellen uns einen Mann vor, der Paul Immendorf1 heißt. Nach vielen Jahren der Demütigung und moderner Unterjochung wurde er endlich befördert. Ich kenne ihn. Und auch du kennst so eine Person oder bist es sogar selbst.
Anyway. Paul steht vor meinem Büro in der Ronaldo-Freistoß-Pose und versucht vergeblich mit Schweinsein meiner Assistentin zu imponieren, auf deren Gesicht ich lese, dass sie ihn am liebsten erstechen würde. Und wer kann es ihr verdenken. Auch ich würde Paul gerne nachts in einer diffus beleuchteten Gasse erstechen.
Auf der letzten Weihnachtsfeier erwischte er am Siedepunkt der Pseudo-Dekadenz ein paar Praktikantinnen auf seiner Bürocouch beim MDMA-Konsum. Also setzte er sich dazu, stark angetrunken von sieben Gläsern Fusel/Cola und ignorierte die Tatsache, dass seine plötzliche Anwesenheit peinliches Betreten und Fremdscham ausgelöst hatte. Paul fühlte sich aber sehr underground.
Während billige House-Musik über die Büroflure donnerte und die Gesprächsfetzen der amüsierten Kollegschaft verschluckte, bröselte sich Immendorf das Amphetamin in seine Mische, exte sie in einem Zug leer und riss dann beide Arme in die Luft. Später wurde er mit offenem Mund und Händen in den Hosentaschen in seinem Bürostuhl bewusstlos.
(Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er eines schönen Tages im Rollstuhl enden wird, weil jemand in einer billigen Tittenbar einen Barhocker auf seinem blassen Körper zertrümmert hat.)
Und wenn ich so über Paul Immendorf tiefer nachdenke, kann ich mich nicht erinnern, ihn jemals wirklich nüchtern gesehen zu haben.
Wo Minus gemacht wurde
Und da sind wir auch schon beim Thema. Im Juli erschien der “2023 Mental Health in Tech Report” von APN. Mehr als 500 US-Tech-Führungskräfte wurden befragt. Die WTF-Bilanz ist düster und die Shareholder von Pharmakonzernen rutschen bei meiner Top 3 fröhlich in ihrem Ejakulat aus:
Fast 40% fühlen Angst und Panik, wenn sie zur Arbeit gehen.
Fast 50% konsumieren täglich oder fast täglich Substanzen/Pillen, u.a. Antidepressiva, Amphetamine, Opiate, Nikotin, Marijuana, Ketamin, Halluzinogene, Steroide, Schmerz- und Schlafmittel. Total betrachtet sind es sogar 80%, die derartige Substanzen konsumieren.
Fast 50% trinken täglich Alkohol, jeder dritte vor und während der Arbeitszeit.
“Our report indicates tech leaders (management level or above) are increasingly depressed and anxious about their future and turning to dangerous coping mechanisms as an escape.”
APN-CEO Noah Nordheimer
Und laut UKG-Studie “Mental Health at Work: Managers and Money” hat für 3 von 4 Angestellten die eigene Führungskraft einen größeren Einfluss auf die psychische Gesundheit als therapeutisches oder ärztliches Fachpersonal. (Oh, und mindestens den gleichen Einfluss wie die eigene Partnerschaft.) Schwer vorstellbar, dass Tech-Angestellte im Großen und Ganzen anders copen sollen als ihre Vorgesetzten. Kranke Menschen führen kranken Menschen. Spitzenklasse.
Bonus Fuck-Up: Schaut man sich den Trend an, wie die Deutschen ihre mentalen Probleme laut dem “AXA Mental Health Report 2023” bewältigen, fühlt man sich ein bisschen wie der besoffene Hirntote, der auf einem Scooter-Konzert in der Embryonalstellung in seinem Erbrochenem eingeschlafen ist.
Wie ich’s pitchen würde
Die Wahrscheinlichkeit, dass deine psychisch-angeschlagene oder bereits -erkrankte Führungskraft die eigenen seelischen Abgründe hinter toten Augen, Extraversion und sonstiger andressierter Mimikry vor dir verbirgt, ist sehr viel größer als Null.
Es ist realistisch, dass dein Boss ein Junkie oder Spritti ist.
Es ist realistisch, dass auch du irgendein Suchtproblem hast oder mental angeschlagen bist. Aber: You are not alone.
Grüße an Fuffifufzich, die erst kürzlich passenderweise eine exzellente Version von Herbert Grönemeyers Alkohol auf dem Reeperbahn Festival COLLIDE abgeliefert hat:
In diesem Sinne: “Prost”, “Ist alles eine Frage des Mindsets” und “der Markt regelt das schon”.
Intro: Was MINUSMACHEN vermitteln will
Männer aus der Tech-Industrie - mich eingeschlossenen - folgen dem Geld und vor allem der Macht. (Einige folgen auch einem company purpose, aber naja, das sind meistens Blendgranaten.) Wir haben mit unseren toten Augen ein wirtschaftliches Ökosystem geschaffen, in dem männliche Regeln gelten und Nicht-Männlichkeit systematisch unterdrückt und/oder seelisch bestraft wird.
MINUSMACHEN
blickt kritisch auf dieses wirtschaftliche Ökosystem und gibt Einblicke in die patriarchale Architektur dahinter. Aus Sicht des männlichen Akteurs Bruno Bosch, der fast zwei Dekaden in der Tech-Industrie beruflich aufgestiegen ist, gelitten und maximal davon profitiert hat.
ist eine Nebelkerze, die auf die Risse innerhalb dieses Ökosystems aufmerksam macht. Eine Welt, die geprägt ist von Machtspielen und -missbrauch, Demütigung, Traumata, Entmenschlichung, Krisen, (Sucht)Krankheiten und toxischem Verhalten.
ist dein Fight Club gegen die Welt der Tech-Bros und LinkedIn-Heinos.
erscheint wöchentlich und gibt dir straight in die Fresse.
Das war die 1. Ausgabe des heilsamen Newsletters über die Abgründe der Tech-Industrie und zertrümmerte Männerseelen. Sag’s auch den Anderen.
Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen (abgesehen von Personen des öffentlichen Lebens) oder Situationen sind rein zufällig.